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Vortragstitel:

Wüsten voller Menschlichkeit

 

Referent:

Joshua Steinberg

Co-Referentin:

Joana Breitbart

 

Kurze Einführung:

Auf unserer zwei Jahre andauernden, vorwiegend durch den afrikanischen Kontinent führenden Reise, werden wir im Sudan mit den Wirren des äthiopischen Bürgerkrieges vor der Nase und den Restriktionen durch Covid im Rücken eingeschlossen.

Gestrandet inmitten der trockenen, unwirtlichen Steppe des Dreiländerecks Sudan-Äthiopien-Südsudan stoßen wir auf eine sprudelnde Quelle der Menschlichkeit, die uns auf ihren Wellen durch die vor uns liegenden Schwierigkeiten trägt.

 

Vortragsinhalt:

Auf unserem Weg entlang der afrikanischen Ostküste reisen wir von Ägypten kommend entlang des Nil durch den Sudan.

In diesem unwirtlichen Wüstenstaat bekommen wir die Probleme der stagnierenden Wirtschaft zu spüren. Es gibt kein Benzin für unsere Motorräder, die Trinkwasserversorgung stellt uns vor ernsthafte Probleme und die häufigen Kontrollen durch die omnipräsenten Soldaten erschweren das Vorwärtskommen. Bis zur äthiopischen Grenze reisen wir so zügig es eben möglich ist nach Süden.

Die Grenze ist geschlossen, militärisch von beiden Seiten abgeriegelt. Wir sind gestrandet und sehen unsere Reisepläne bröckeln. Als Fremde inmitten des Dreiländerecks Sudan-Äthiopien-Südsudan zur Zeit eines aufkeimenden Bürgerkriegs in Äthiopien und den stetigen Anschlägen im Südsudan fühlen wir uns etwas ausgesetzt.

Auf der Suche nach einem Schlafplatz klopfen wir an der Tür des Roten Halbmonds, Hauptquartier des Ortsverbandes Damazin, Blue Nile State. Verlassen sitzen wir in der staubigen Empfangshütte und erklären unsere Situation. Mit dem Internationalen Rot Keuz Ausweis in der Hand richten wir die verzweifelte Bitte an Hassan uns zumindest für eine Nacht zu beherbergen: “Wir sind doch Freunde?”

Hassan deutet auf die beiden mannsgroßen Symbole der gegenüberliegenden Wand, der Mond und das Kreuz. “Wir sind keine Freunde”, er lächelt uns an:

“Wir sind Brüder!”

In diesem Moment, da unsere naiven Pläne durch die harte Realität hier zerschlagen werden, so vieles schief geht, dass wir plötzlich ohne Hilfe nicht mehr weiter wissen, beginnen wir uns auf die wunderbaren Menschen um uns herum einzulassen.

Entlang des Blauen Nil wenden wir uns wieder nach Norden, um in Khartum eine Lösung zu finden aus dieser geografischen und politischen Sackgasse wieder heraus zu kommen. Wir werden in Khartum aufgenommen von Hassans Freundin Hatoon. Mehrere Wochen leben wir unter ihrem Dach, zusammen mit ihren Eltern, ihren Schwestern und den Kindern. Es eröffnet sich eine Welt, die der unseren kaum unähnlicher sein könnte, doch spannt sich langsam eine Brücke zwischen uns, die kaum stärker sein könnte.

Die Geschichten, die wir erleben dürfen, treiben uns Tränen der Freude und solche der Trauer in die Augen. Von Kindern, die um Wasser betteln und Golfplätzen in der Wüste. Von der völligen Aufopferung für die Familie und einer Familie, die ihre Töchter fast erdrückt. Vom Drang nach Freiheit in einer Gesellschaft der Konventionen.

Überwältigt von der unaussprechlichen Gastfreundschaft, die uns zuteil wird und von der Komplexität der Zusammenhänge in die wir eintauchen durften, fühlen wir nun den Drang das Erlebte weiter zu geben.

Die Zeit in dem kargen Wüstenstaat Sudan, der für Reisende eher als Hindernis denn als Höhepunkt gehandelt wird, überragt in ihrer emotionalen Intensität alle vergangenen Erfahrungen unserer bisher dritten, 24 Monate andauernden Reise.

Aktuell sind wir noch im Iran unterwegs, aber bis September sollten wir es in die Heimat schaffen. 😉

 

Hintergründe zum Vortragenden:

Fahre, um zu leben und lebe, um zu fahren. Mit vier Monaten lag meine Wiege, natürlich mit mir drinnen, das erste Mal im Beiwagen unseres MotoGuzzi Gespanns auf dem Weg zu meiner Oma ein paar Orte weiter.

Mit zwei Jahren ging es mit selbigem Gespann schon auf große Tour nach Korsika. Papa ist gefahren und Mama saß hintendrauf. Später habe ich dann meinem Bruder etwas Platz im Beiwagen abgetreten und Jahr für Jahr ging es für ein paar Wochen auf Tour. Mit acht Jahren saß ich das erste Mal allein auf einer Maschine. Mit zehn habe ich meine ersten Versuche im Motocross gewagt und bin dann kurze Zeit später zum Motorrad Trial gekommen.

Seitdem ist es um mich geschehen und ich bin nie wieder abgestiegen. Nun bin ich 31 Jahre alt und habe schon viele Touren durch Europa hinter mir. Eine Tour nach Kapstadt und eine durch Südamerika. 

Es sei erwähnt das ich chronisch an Mukoviszidose und Diabetes Typ 1 erkrankt bin, was mich aber vom Reisen nie abhalten konnte. Ich nutze diese Tatsache gerne um andere zu motivieren ihre Ängste zu überwinden und ihren Träumen zu folgen, auch wenn die Zeichen gegen sie stehen.

Da man sich ausschließlich mit Benzingestank und Lärm bei den Nachbarn keine Freunde macht, sollte man vielleicht auch noch etwas für die Allgemeinheit tun. Mit meinem Vater teile ich die Begeisterung und das Engagement für das Deutsche Rote Kreuz. Zusammen leiten wir die nahe Ortsvereinigung des DRK, leisten ehrenamtliche Sanitätsdienste und Flüchtlingshilfe.

Hiermit wären wir bei einer weiteren großen Leidenschaft. Dem Versuch, den Menschen, die mich überall so freundlich aufnehmen, ein herzliches Willkommen und eine Zukunftsperspektive in meiner Heimat zu geben. Mit den Falken Bad Hersfeld und der Stadt Bad Hersfeld richte ich Sportveranstaltungen aus, organisiere Graffiti Projekte und starte Freizeitangebote für Menschen jeder Herkunft. Für die Kreishandwerkerschaft Hersfeld Rotenburg bereite ich junge Geflüchtete auf die duale Ausbildung im Handwerk vor, vermittle Praktika und Ausbildungsstellen. Hierfür werde ich sogar bezahlt, was meinen Lebensunterhalt sichert und die Reisekasse füllt.

Die Fotografie und das Dokumentieren sind ein schönes Hobby in jüngster Zeit ebenfalls etwas bei der Finanzierung der Reise hilft. Hauptsächlich aber geht es mir darum, das Erlebte und vor allem die vielen Freunde auf aller Welt nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Durch das Schreiben wie auch das Erzählen wird das Erlebte wiedererlebt, das Lachen erklingt erneut, die Tränen fließen erneut, die Reise endet nicht mit dem Abstellen des Motorrads vor der Tür, sondern sie ist immer wieder Präsent.

Außerdem habe ich festgestellt, dass es, wenn die Nervosität erstmal weg ist, einfach Freude macht den Leuten ein paar Geschichten aus der Welt zu erzählen. Sie staunen zu lassen. Meine Trauer und Freude und etwas Verständnis für die Probleme und Chancen dieser Welt in den Augen der Zuschauer zu sehen, ermutigt mich weiter zu machen.